Wirtschaftsweise — ganz neue Töne

7 Nov, 2019 at 09:16 | Posted in Economics | Comments Off on Wirtschaftsweise — ganz neue Töne

Am Mittwoch hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sein Jahresgutachten vorgestellt …

In diesem Gutachten nun wird das vielleicht wichtigste angebotspolitische Symbol einer kritischen Betrachtung unterzogen: die Schuldenbremse. Eine Mehrheit der Ratsmitglieder verteidigt sie zwar noch, aber diese Mehrheit ist stark geschrumpft. Von den fünf Räten sprechen sich nur drei für die derzeitige Regelung aus, zwei sprechen sich für eine “Reform” aus, damit der Staat mehr investieren kann …

schuld

Interessant ist auch, dass die sogenannte schwarze Null sogar von allen Ratsmitgliedern kritisiert wird. Zur Erinnerung: Die Schuldenbremse erlaubt in Krisenzeiten noch Kredite, die schwarze Null hingegen fordert einen allseits ausgeglichenen Staatshaushalt. Das aber könne nach Meinung der Räte eine “problematische Prozyklizität” zur Folge haben, also dazu führen, dass der Staat einer Krise hinterherspart und sie damit noch verschlimmert. Das hat man so von den Wirtschaftsweisen noch nicht gehört …

Der neue Ton der Wirtschaftsweisen ist Teil einer Öffnung des wirtschaftspolitischen Diskurses in Deutschland. An den Universitäten, in den Forschungsinstituten und in den Ministerien sind heute mehr und mehr junge Ökonomen mit internationaler Erfahrung zu finden, die sich von ordnungspolitischen Glaubenssätzen nicht beeindrucken lassen. Sie wollen es genauer wissen …

Weil die Ökonomie eine Sozialwissenschaft ist, können sie die Forschungsergebnisse beeinflussen. Aber wer heute eine wirtschaftspolitische Empfehlung abgibt, ist stärker als früher in der Pflicht, diese wissenschaftlich zu begründen und damit ihre Prämissen nachvollziehbar zu machen. Es kann nicht mehr jeder einfach irgendetwas behaupten. Das sorgt für eine gewisse Rationalität im öffentlichen Diskurs – und genau dafür ist die Wissenschaft da.

Mark Schieritz / Die Zeit

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